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stillgelegte Hochofenanlage Duisburg - Meiderich,
heute Landschaftspark Duisburg Nord

Wie so viele ehemalige Industrieanlagen im Ruhrgebiet hat das Hochofengelände im Duisburger Norden eine wechselvolle Geschichte hinter sich.

Der Anfang

In einem ländlichen Gebiet fließt ruhig die Emscher. Felder, Wald und Wiesen liegen an ihren Ufern. Dünne Besiedlung, ein wenig Landwirtschaft, das ist Nutzung bis in die ersten Tage des 19. Jahrhunderts. Hamborn ist nur ein kleines Dorf mit einer 1136 gegründeten Abtei. Im Wittener Muttental wird im 13 Jahrhundert die erste Kohle entdeckt und im Tagebauverfahren abgebaut. Erst im 18. Jahrhundert entstehen die ersten Stollenzechen, Anfang des 19. Jahrhunderts Tiefzechen. Der Kohleabbau wandert langsam über die Ruhr gen Norden. In der Hamborner Umgebung entstehen dann um 1850 Zechen und Schwerindustrie. Durch die Wiesen führen nun Schienenstränge, die Kohle, Eisen und Stahl zwischen den Hafenanlagen von Ruhrort und der in Sterkrade gelegenen Gutehoffnungshütte transportieren. Und der Bedarf an Industriegütern wächst weiter, immer mehr Dörfer des Ruhrgebiets werden zu Industrielandschaften. Auch Meiderich steht dieses Schicksal bevor.

Die Industrialisierung

August Thyssen benötigte um die Jahrhundertwende weitere Hochofenanlagen, um die Roheisen- und Stahlproduktion ausweiten zu können. Der Standort Meiderich war ideal: Nebenan lagen konzerneigene Kohlefelder, die benachbarte Kokerei "Friedrich Thyssen 4/8" erzeugte den benötigten Koks, die Verkehrsanbindung durch Schienen und Wasserwege ist ideal, benötigte Erze und das erzeugte Roheisen können schnell und preiswert befördert werden. Ab 1901 wird das Hochofenwerk errichtet, neben insgesamt 5 Öfen entstehen Sinteranlage, Masselgießanlage und Gießerei. Am 17. 3. 1902 wird das erste Roheisen erzeugt. Der Verbund mit benachbarten Stahlwerken ermöglicht die Verarbeitung "in der Hitze", das noch flüssige Roheisen kann ohne Abkühlung und kostenintensive Wiedererwärmung zu Stahlprodukten veredelt werden. Die in Meiderich entstehenden Gichtgase werden im Thyssen-Verbundnetz als billige Energiequelle genutzt.
Das Hochofenwerk gilt bald eines der wichtigsten im Ruhrgebiet, es ist in der Lage, sehr viele unterschiedliche Eisensorten auch in geringen Mengen zu erzeugen und gilt deshalb als "Apotheke des Ruhrgebiets".
Mit der Verwandlung der dörflichen Gemeinschaft in eine Industrieanlage gehen selbstverständlich ökologische Nachteile einher. So werden z.B. die Abwässer vieler Industrieanlagen und Wohnsiedlungen längs der Emscher einfach ungeklärt in diesen Fluß eingeleitet, er verkommt zu einer Abwasserkloake, die bei Überschwemmungen durch Hochwasser weite Teile der Landstriche unter einer übelriechenden Brühe verdeckt. Eine verheerende Typhusepidemie ist schließlich der Auslöser, die Emscher von Dortmund bis zu Rheinmündung zu kanalisieren und aus diesem Fluß einen offiziellen Abwasserkanal zu machen.
Um das Werksgelände in Meiderich herum werden die typischen Arbeitersiedlungen errichtet, meist Ein- oder Zweifamilienhäuser mit angeschlossener Gartenfläche bzw. Kleingartenanlagen, die noch bis in die Fünfziger Jahre hinein als Nutzgarten für Gemüseanbau ober Kleinviehhaltung dienen.

Nach dem zweiten Weltkrieg

In den siebziger Jahren ist der Höhepunkt der Roheisenerzeugung erreicht, 1973 wird ein neuer Hochofen 5 angefahren, ein Jahr später erreicht die Jahresproduktion des Werks 948'000t Roheisen. 1983 erfolgt eine gründliche Überholung des Werkskomplexes, der Gasometer wird teilerneuert, alle Hochöfen nacheinander renoviert. Meiderich gilt als fortschrittliche Hochofenanlage des Thyssen-Konzerns, die neueren strengen Umweltauflagen sind mustergültig umgesetzt, der Personalbedarf sinkt trotz der gesteigerten Produktion stetig.
So sind die 300 Mitarbeiter 1985 von der Schließung vollkommen überrascht. Die EG hatte eine Stahlquote von 900'000 Tonnen Stahlerzeugung pro Jahr für den gesamten Thyssen-Konzern festgelegt, um der verminderten Nachfrage Herr zu werden. Grund war neben einer allgemeinen Rezession die hohen Lohnkosten und die vom Staat vorgeschriebene Zwangsverkokung teurer deutscher Ruhrkohle statt preiswerter Importkohle. Der Thyssen-Konzern entschließt sich, die Roheisenerzeugung auf wenige Standorte zu reduzieren, neben Meiderich werden auch die Werke Rheinhausen und Henrichshütte in den nächsten Jahren ausgeblasen. Jedoch kommt es in Meiderich nicht wie an den anderen Standorten zu Massenprotesten, dies mag daran liegen, daß hier nur noch wenige Mitarbeiter arbeiten, die zudem entweder in Frührente gehen oder auf nur wenige Kilometer entfernte Arbeitsplätze verlegt werden.
Am 4.4. 1985 erfolgte der letzte Abstich, die Hochöfen werden ausgeblasen, nach 37 Millionen Tonnen Eisenerzeugung. Jedoch erfolgt zunächst keine Demontage, das Werk steht "besenrein anblasfähig" bereit, wartet auf bessere Tage. Der Versuch, den jüngsten Hochofen 5 nach China zu verkaufen, scheitert, das Werk bleibt als Gesamtanlage erhalten. Jedoch steht Ende der Achtziger Jahre fest, daß ein Wiederanfahren niemals mehr infrage kommt.

Der Landschaftspark heute

Engagierte Bürgerinitiativen verhindern den drohenden Abriß der Werksanlage und die Verwandlung in eines der üblichen nichtssagenden Gewerbegebiete mit Einkaufsflächen. Im Rahmen der groß angelegten Internationalen Bauaustellung Emscherpark (IBA) wird von 1990 bis 1999 das Gebiet der Emscher renaturiert, ein wichtiges Projekt ist dabei die Umnutzung der Industriebrache Meiderich. Die Deutsche Gesellschaft für Industriekultur beteiligt sich, um einen einzigartigen Park zu schaffen. Aus der Stätte von Feuer, Staub, Dreck, Rauch, Lärm und Arbeit wird ein international bekanntes Kulturerbe und Freizeitgelände, dessen Besuch jederzeit möglich ist und tags und nachts zur Erkundung einlädt. Erstmals seit fast einem Jahrhundert ist es den Menschen der umliegenden Siedlungen möglich, das Gelände zu betreten, ein "verbotener Platz" wird Allgemeingut der Bevölkerung.
Die Duisburger Sektion des Deutschen Alpenvereins hat aus den Wänden der Erzbunker Kletterlandschaften gemacht, im mit 20`000 Kubikmeter Wasser fassenden Gasometer wird heute getaucht und nach Schätzen gesucht, in einer Gießhalle findet regelmäßiges Open-Air-Kino statt, die Kraftzentrale ist ein großer Veranstaltungsraum für Konzerte oder Discoparties, in der Gebläsehalle wird regelmäßig gefeiert, ein Jugendhotel und ein Restaurant haben in ehemalige Werksgebäude Einzug gehalten und auf der Fläche vor den Sinteranlagen ist Platz für Freilufttheater oder -Konzerte. Und die nächtliche Licht-Inszenierung der englischen Künstlers Jonathan Park verwandelt die Schornsteine, Hochöfen und Hallen in leuchtende Kunstwerke. Die "Route der Industriekultur" hat hier ein Besucherzentrum und wichtigen Ankerpunkt.
Neben der Umgestaltung und Umnutzung der Industrieanlagen bildet die ökologische Wiederherstellung einen Schwerpunkt der IBA. Das Bett der "alten Emscher" wird wieder zu einem Klarwasserkanal gestaltet, der mittels Windrad künstlich in Bewegung versetzt wird. Das Rad treibt eine Pumpe, die das Wasser mehrere Meter hebt und mittels Rohrleitung an einer anderen Stelle des Parks wieder ins Kanalbett einleitet. Von Industrieabfällen verseuchte Erde wird ausgekoffert und in den Taschen der ehemaligen Erzbunker versiegelt und begrünt. Und die sich seit 1985 an vielen Stellen wiederausgebreitete Natur des 200 Hektar großen Areals steht unter Naturschutz, einige Ecken des Parkgeländes bleiben von der gestalterischen Hand frei, Flora und Fauna kann sich auf der Brache frei entfalten, das Gelände bildet heute einen wichtigen Platz für seltene Tiere und Pflanzen.
Trotz der doch recht hohen Investitions- und laufenden Kosten ist der Eintritt rund um die Uhr kostenfrei möglich; neben der Besichtigung etlicher ehemaliger Betriebsteile lädt der Hochofen 5 zu einer Besteigung ein, von ihm aus hat man bei gutem Wetter freie Sicht bis weit in die Umgebung hinein, die Duisburger Industrieskyline mit teils ebenfalls stillgelegten, teils noch produzierenden Hochöfen und Stahlwerken liegt im Westen, der Oberhausener Gasometer, das zu einer riesigen Einkaufs- und Freizeitpark umgewandelte Gelände der ehemaligen Gute-Hoffnungs-Hütte (CentrO in Oberhausen), der Bottroper Tetraeder und andere wichtige Industriedenkmale sind im Osten zu sehen.