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Zeche und Kokerei Zollverein

Auf dem Gebiet der Stadt Essen liegt nördlich das Gelände der ehemaligen Zeche und Kokerei Zollverein. Nach 150 Jahren Industrie, Rauch, Qualm, Gestank, Lärm und Arbeit für Zehntausende ist aus der Industriebrache ein begehbares Industriedenkmal geworden.

Der Anfang

1847 gründet Franz Haniel in Katernberg die Zeche Zollverein, weil die Schienenanbindung optimal und die gefundene Kohle sich ideal zum Verkoken eignet und in seinen Hüttenwerken zur Eisenerzeugung verwendet werden kann.
Der Name "Zollverein" rührt vom gleichnamigen Abkommen her, das einige deutsche Kleinstaaten 1834 geschlossen hatten. Damals gab es noch kein Deutsches Reich (erst 1871 gegründet!), sondern viele Klein- und Kleinststaaten, die mehr oder weniger autonom nebeneinanderlagen. Zwischen all diesen Staaten (die sich aus den Herzogtümern, Grafschaften, Erzbistümern usw. des Mittelalters herausgebildet hatten) gab es Zollgrenzen. So konnte ein Salztransport von Bad Reichenhall nach der freien Hansestadt Hamburg (die "frei" heißt, weil sie Stadtrecht besaß und nicht zu einem dieser Kleinstaaten gehörte) bis zu 10 Zollgrenzen durchqueren. Jedesmal war Zoll fällig, weil die Kleinstaaten fast immer knapp bei Kasse waren. Nachdem die französische Revolution und die Napoleonischen Kriege 1815 beendet waren, wurde die deutsche Kleinstaaterei wiederhergestellt. Allerdings gelang es Preußen, sich immer mehr Kleinstaaten anzueignen (durch Heirat z. B. ; ich nenne nur Rheinpreußen), als sttärkste Macht in Deutschland langsam die Führung zu übernehmen.. Um den Nationalstaaten wie England und Frankreich entgegentreten zu können, schloß man sich 1834 zum Zollverein zusammen, um im "innerdeutschen Handel" ohne Zollschranken die Wirtschaft fördern zu können. Diesem Verein traten bis 1854 alle Staaten des "deutschen Bundes" bei, jedoch ohne Östereich. Der Zollverein hatte ab 1868 ein sog. Zollparlament und einen Zollbundesrat und darf als Vorstufe des 1871 gegründeten deutschen Reiches betrachtet werden.
Franz Haniel taufte den 1847 abgeteuften Schacht I der neuen Zeche "Zollverein", um diesem für die Wirtschaft so wichtigen Abkommen ein Denkmal zu setzen.

Die Industrialisierung

Die Zeche wächst ab 1871 stark an, die Gründung des deutschen Reiches unter einem Kaiser mit gemeinsamer Wirtschaft ist ein Segen für die Unternehmer, die Industrie boomt. Auf dem Gelände Zollvereins entsteht eine Kokerei, die Schächte II (1882), IV (1893), VI (1897)und XI (1928) werden abgeteuft, die Beschäftigtenzahl steigt auf über 5000 Mann. Die erste Generation von "Ruhrgebietseinwanderen" wird benötigt, um genügend Menschenmassen als Arbeitskräfte zu bekommen. Aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und Mecklenburg kommen Menschen, deren Namen noch heute im Ruhrpott häufig vorkommen. 1900 leben im Einzugsgebiet der Zeche 30.000 Menschen, Zollverein wird zur größten Schachtanlage im Pott. Die Familie Haniel erbaut die typischen Arbeitersiedlungen, ganze Straßenzüge mit kleinen Einfamilienhäusern, zu denen immer ein Garten mit Obst- und Gemüseanbau, Kleintierhaltung (Ziege, Schweine, Hühner) und die fast unvermeidliche Brieftaube gehört.
1932 wird der Zentralschacht XII abgeteuft und übernimmt die gesamte Kohleförderung. Dieser Förderturm ist der imposanteste, höchste, architektonisch schönste, meistfotografierteste und wahrscheinlich bekannteste Förderturm des Reviers geworden. Die alten Schächte werden entweder stillgelegt oder dienen dem Ein- und Ausfahren der Kumpel, als Wetterschächte (Be- und Entlüftung der Kohleflöze in bis zu 500 Metern Tiefe) oder als Transportschächte für in den Sohlen benötigten Materialien. (Wir gedenken hier kurz des Fäkalientransports aus der Tiefe. Wasserklosetts sind dem Kumpel unbekannt. Kaligefüllte Eimer dienen als "Erleichterungsstätte".)

Nach dem zweiten Weltkrieg

Zollverein und die anderen Zechen in Deutschland sorgen mit für das Wirtschaftswunder. Die Kohle spendet die Energie für den Wiederaufbau, der Dreiklang "Kohle-Eisen-Stahl" sorgt für Vollbeschäftigung, die zweite Generation von Gastarbeitern (diesmal aus Italien, Spanien, der Türkei, usw.) kommt ins Land und verändert das soziale Gefüge des Ruhrpotts.
1961 wird die damals modernste Kokerei des Reviers errichtet und verkokte große Teile der Kohlemenge. Zu Spitzenzeiten werden täglich 12.000 Tonen Kohle gefördert! Doch durch die sinkenden Transportkosten wird ausländische Kohle immer billiger, der Bergbau muß subventioniert werden, der Kohlepfennig wird auf Strom erhoben, damit die Kohlekraftwerke Deutschlands nicht preiswertere Importkohle, sondern die Einheimische verstromen. Der Niedergang ist nicht mehr aufzuhalten, das Zechensterben beginnt. Zum einen sind Teile des Reviers "ausgekohlt", die verbliebenen Kohleflöze liegen unwirtschaftlich tief oder sind wegen der Schmalheit nicht mehr abbauwürdig; andererseits fallen (bedingt durch Eropäische Gemeinschaft / Union) die gesicherten Förderkontingente. Viele Zechen um Zollverein herum schließen, teilweise wird noch untertage Kohle von anderen Zechen zum Schacht XII transportiert und dort zu Tage gefördert (z. B. ab 1973 Flöze der Zeche Holland in Bochum-Wattenscheid; 1983 Zeche Nordstern in Gelsenkirchen). Damals konnte man unter der Erde von Duisburg bis Dortmund von Zeche zu Zeche reisen.
1986 ist es soweit: die letze Kohlenlore wird aus Schacht XII herausgerollt, Zollverein stellt die Förderung ein. 1993 wird der letzte Koks aus der Kokerei ausgedrückt, die Feuer auf Zollverein verlöschen, die Schornsteine erkalten, die Kumpel werden auf die verbliebenen Zechen und Kokereien verteilt, sofern sie nicht in Frührente gehen können.

Zollverein heute

Doch anders als andere Industriebrachen wird Zollverein nicht dem Erdboden gleichgemacht, um als Technologiepark Fläche für neue Unternehmen zu schaffen. Erstens ist das Gelände einer Kokerei immer sehr stark belastet, die Sanierung wäre immens teuer, zum zweiten ist die Zeche Zollverein mit Schacht XII und den dazugehörenden Industriebauwerken als Denkmal von der Unesco anerkannt worden und gehört zum Weltkulturerbe.
Das Gelände um Schacht XII und die Kokerei wird umgenutzt, in den Kohlensortierhallen zieht die Probebühne des Schauspiels Essen ein, in der Kraftzentrale das Designzentrum NRW, in den Hallen des Schachtes I/II wird ein "Kunstschacht", ein Atelier, eingerichtet, das TanzTheater NRW erhält in Hallen des Schachtes II sein neues Domizil. In der Kokerei wird die Kohlenmischanlage zu einem Museum umgebaut, ein Riesenrad durch die Kokskammern gebaut, die Außenanlagen als begehbares Industriedenkmal auf Dauer erhalten. Nachts werden die Anlagen effektvoll beleuchtet.
Das ehemals unbetretbare Gebiet ist zu einer Freizeitstätte geworden, die Industriearchitektur hat ihren Zweck verloren, aber ihren herben Charme und ihre dezente Schönheit behalten.